Am vergangenen Sonntag (5. November 2023) feierte Professor em. Dr. Theo Seidl in der Pfarrkirche St. Martin die Heilige Messe. Professor Seidl, der jedes Jahr um Allerheiligen und Allerseelen seine hiesige Verwandtschaft und die Gräber seiner verstorbenen Angehörigen besucht, wurde vor dem Sonntagsgottesdienst von Pfarreisprecher Matthias Maier sowie Mesner Hans Held herzlich willkommen geheißen.
Gleich nach der Eröffnung des Gottesdienstes brachte Professor Seidl seine Freude darüber zum Ausdruck, wieder mit den Eichendorfern Gottesdienst feiern zu dürfen. Nach der alttestamentlichen Lesung aus dem Buch Ezechiel, die Lektor Matthias Maier vortrug, verkündete Professor Seidl das Matthäusevangelium. In seiner Predigt legte der Geistliche, der langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen an der Universität Würzburg war, den anwesenden Gläubigen die Frohe Botschaft aus.
Bei der Bibelauslegung muss der Kontext betrachtet werden
Dabei sei Vorsicht geboten, so Seidl: All zu schnell könne man diesen Teil des Evangeliums antijüdisch und einseitig prochristlich verstehen oder gar die christliche Überlegenheit über die jüdische Religion davon ableiten. Darum stellte Professor Seidl vorab einiges klar, um Missverständnissen vorzubeugen. Etwa den Umstand, dass sich diese Rede Jesu nicht an die Pharisäer und Schriftgelehrten, sondern „an das Volk und seine Jünger“ richte; sie seien die Adressaten. Es gehe also um Formung, Prägung und Veränderung der Jesusjünger, seiner Anhänger, nicht um eine Scheltrede gegen die jüdischen Religionsführer. Dabei kämen zugegebenermaßen die Pharisäer, die nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70 n.Chr.) die einzig verbliebene jüdische Religionspartei waren und (anders als die Sadduzäer, die frühere zweite jüdische Religionspartei) in ihrem religiösen Denken Jesus sehr nahe standen, schlecht weg. Hier aber würden die Pharisäer als Repräsentanten des verbliebenen Judentums behandelt. Das Thema dieses Evangeliums sei also nicht Polemik gegen das Judentum, sondern das richtige Verständnis von Macht und Autorität, das richtige Verhalten von Vorgesetzten und das Verhältnis oder das Zusammenspiel von Autorität und Gemeindemitgliedern. Das Evangelium stelle dem Zerrbild von Autorität das Idealbild von Autorität gegenüber.
Autorität im Sinne Jesu
So könne dem Evangelium positiv entnommen werden, was Autorität im Sinne Jesu auszeichnen soll:
Echte Autoritäten würden durch ihr Vorbild wirken, dadurch, dass sie vorleben, wovon sie überzeugt sind, dass sie ihr Reden und ihre Überzeugung auch im Tun und Handeln bewähren. Zudem solle eine Autorität nicht die eigene Person, das eigene Ansehen, den eigenen Vorteil ins Zentrum rücken, sondern immer die Sache, die Inhalte, die Ziele und Ideale eines Gemeinwesens. In der religiösen Gemeinschaft solle es also nie um die eigene Ehre gehen, sondern um die Ehre Gottes, nicht um die eigenen Worte und die eigene Lehre, sondern um das Wort Jesu; „nur einer ist euer Lehrer: Christus.“ Die wahre Autorität in der christlichen Gemeinde tue gut daran, die eigene Person aus dem Zentrum zu rücken und sich mit der Gemeinde auf den Weg zu machen, um die Botschaft Jesu, seine Ideale, das Reich Gottes zu verwirklichen.
Unterscheidung zwischen Amt und Person
Außerdem sei sich wahre Autorität immer bewusst, dass sie trotz Amt, Würde und hohem Rang ein schwacher, auch fehlbarer und versagender Mensch bleibt. Es käme nicht von ungefähr, dass der letzte Satz des Sonntagsevangeliums die tiefe Lebenserfahrung festhält: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt“. Jeder könne scheitern und tief fallen. Schließlich sei die Leitmaxime guter Autorität das Dienen: „Der Größte unter euch soll der Diener aller sein.“ Dienen (diakonein) heiße nach dem Evangelium: Seine eigene Person und seine eigenen Interessen zurückstellen können; viel investieren, dass andere eine höhere Lebensqualität erfahren, Zutrauen zum Leben gewinnen das Leben als sinnvoll erfahren.
Nach dem Credo und den Fürbitten zelebrierte Professor Seidl zusammen mit den Anwesenden Eucharistie. Die musikalische Gestaltung des Sonntagsgottesdienstes übernahm Organistin Lydia Schropp. Die Eichendorfer freuen sich schon, den sympathischen Geistlichen auch im kommenden Jahr wieder in ihrer Mitte begrüßen zu dürfen.
Bericht und Foto: Stephanie Altmann
Zur Person:
Professor em. Dr. Theo Seidl wurde 1945 in München geboren. Nach dem Abitur 1964 studierte er dort bis 1969 Philosophie und Theologie. 1975 wurde er in der Landeshauptstadt zum Doktor der Theologie promoviert. Am 29. Juni 1975 empfing er in Freising die Priesterweihe. 1976 übernahm Seidl an der Katholisch-Theologischen Fakultät München eine Assistentenstelle am Lehrstuhl für Altes Testament. 1982 habilitierte er sich für das Fach „Alttestamentliche Einleitung und Exegese und biblisch-orientalische Sprachen“. Nach vier Jahren als Privatdozent in München wurde Seidl 1986 Professor an der dortigen Universität. Von 1991 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2010 war er Inhaber des Lehrstuhls für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg. Außerdem half er unter anderem in Veitshöchheim in der Seelsorge mit. Seinen Ruhestand verbringt Seidl in Scheyern (Erzbistum München und Freising), wo er auch den Bibelkreis leitet.
(Quellen: Pressestelle des Bistums Würzburg / Internetseiten der Solidarpfarreien Scheyern)